Von Köln-Kalk nach Remscheid-Lennep sind es 41,5 Kilometer in 35 Minuten auf den Bundesautobahnen A3 und A1. Die A3 ist mit 769 Kilometern die zweitlängste deutsche Autobahn, die A1 mit 748 km die drittlängste und führt, nähme man nicht vorher die letzte Ausfahrt Lennep, auch nach Dortmund. In Dortmund gibt es einen Fußballverein mit Namen Borussia, kurz BVB, der 2012 zum letzten Mal Deutscher Meister wurde und ein Jahr später Pierre-Emerick Aubameyang verpflichtet. Der Stürmer aus dem Gabun trifft und trifft und wird dafür zu Recht sehr gut entlohnt. Und wie bei vielen seiner Kollegen ist es da nur logisch, auf der Straße genauso schnell sein zu wollen wie auf dem Rasen. Bei entsprechendem Budget und hoher Co2-Resilienz ist das ja kein allzu großes Problem – und Mann hat die Qual der Wahl.Der zwischenzeitliche FC-Arsenal-Kapitän entscheidet sich damals ebenso stilsicher wie passend zum Outfit für einen Lamborghini Huracán in goldener Folierung. Jahre später benutzt FC-Bayern-Kollege Franck Ribéry goldenes Toilettenpapier – die Klopapierrolle, diskret versteckt im gehäkelten Etui auf der Ablage, war nie seine Welt – aber das nur am Rande. Goethe hat recht: Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles und das gilt nicht nur für Ballartisten. Welche Karosse würde wohl ein Goethe heute fahren? Glänzen sollte sie sicher schon ein bisschen, aber für staatstragende Intellektuelle dürfte es natürlich nicht zu plakativ sein. Mir persönlich schwebt da für ihn retrospektiv so etwas zwischen Maybach und Facel Vega vor. Wenn ich das nächste Mal die Faust balle, pardon, zum Faust greife, werde ich den Dichterfürsten dazu befragen. Das diesbezüglich innovative Streaming-Format nennt sich übrigens Automobilklassiker:innen unter sich.
Im Hause Aubameyang folgt auf den goldenen Huracán dann unter anderem ein regenbogenfarbiger Aventador, noch einmal 100.000 Euro teurer. Bis auf den Countach tragen tatsächlich alle Lamborghini-Modelle Namen von Kampfstieren oder deren Züchter: Miura, Diablo, Murciélago, Gallardo, Huracán und eben Aventador als Hommage an einen besonders tapferen und meistens wenig später ebenso toten Vertreter seiner Spezies.
Die Corrida ist für mich moralisch fragwürdiges Spektakel und überkommene Tradition zugleich. Aber ist es nicht vielleicht gerade diese toxische Mischung aus viel zu viel Pferdestärken, Tierblut und Testosteron, die den Lamborghini zum Poser-Objekt der Begierde macht, zum Mekongdelta fehlgeleiteter Männlichkeit? Denn wo immer in Deutschland mit größter Begeisterung und ohne Rücksicht auf Verluste in Fußgängerzonen tiefergelegt beschleunigt wird, wo hysterische Drehmomente für grenzdebile Dezibelwerte sorgen, ist der Lambo – fast immer geleast und nicht selten widerrechtlich angeeignet – meist nicht weit. Sollten sich die Verantwortlichen in Sant’Agata Bolognese vielleicht einmal darüber Gedanken machen, dass der Kern einer Marke, die automobile Gestaltungslegenden hervorgebracht hat, nur so lange korrumpiert werden kann, bis er sich endlich auflöst?
Auch in der Presse Poser in allen Posen fast überall: Essen, München, in Hamburg ein goldener Aventador auf dem Jungfernsteg – ein HSV-Profi, der von der Erstklassigkeit träumt? – Mannheim, Köln und ja, auch in Lennep im magischen bergischen Dreieck, der Heimatstadt von Wilhelm Conrad Röntgen und Wohnort meines Freundes Harald B., einem der größten Boxexperten hierzulande. Harald unlängst: „Lennep ist wunderschön, du kennst ja unsere Altstadt, aber wir haben ein Problem: Auto-Poser. Die muss man aus dem Verkehr ziehen, nicht nur metaphorisch!“ Recht hat er, der bekennende VW-Golf-Fahrer.
Manfred Luckas